Samstag, 21. September 2024

Helene Hanff: 84, Charing Cross Road / Die Herzogin der Bloomsbury Street

 


Wer mich kennt, weiß, dass ich schon seit vielen Jahren für Helene Hanff schwärme. Für meine neuen Lesefreunde möchte ich sie heute noch einmal vorstellen.

Ihr wohl berühmtestes Buch ist der Briefwechsel zwischen ihr und Frank Doel, einem britischen Antiquariatsbuchhändler für Marks & Co in London.

84, Charing Cross Road, wie liebe ich diese Adresse. Helene Hanff hat sie in mein Bücherherz gebrannt.

Sie selbst lebt in der 14 East 95th St. in New York City. Es ist das Jahr 1949, Oktober.

In der Zeitschrift „Saturday Review of Literature“ entdeckt sie eine Anzeige von Marks & Co. in der 84, Charing Cross Road in London. Ein Antiquariat. Was sie an antik denken lässt und für teuer hält. Sie schreibt einen Brief nach London, mit einer Bücher-Wunschliste.

Und so entsteht ein Briefwechsel, den jedes Leserattenherz höher schlagen lässt.

Es ist kein Roman, Helene Hanff hat keine geschrieben. Dieser Schriftwechsel fand wirklich statt. Man merkt zwischendurch auch, dass die Sammlung wohl nicht vollständig ist.

Dieser Briefwechsel fing ja geschäftlich an, weil sie in ihrer Gegend nicht die Bücher bekommen konnte, nach denen ihr der Sinn stand. Mit der Zeit wurde er aber privater. Sie verschickte an die Buchhandlung Lebensmittelpakete, da die in London nach dem Krieg knapp waren. Und so entspann sich auch zwischen den anderen Mitarbeitern und ihr ein schriftlicher Austausch.

Helene Hanffs größter Wunsch war es, einmal London zu besuchen. Doch erst 1971 sollte es ihr möglich sein, eine Lesereise zu machen. Da lebte Frank Doel schon nicht mehr (er starb 1969) und der Buchladen war geschlossen.


Die Erlebnisse dieser Lesereise sind dann in dem Buch Die Herzogin der Bloomsbury Street niedergeschrieben.

In ihrem Briefbuch 84, Charing Cross Road konnte man immer wieder lesen, wie sehr es Helene Hanff nach London zog. Es war ihr Traum. Erst recht, wo sie doch durch ihren Briefwechsel mit dem Antiquariatsbuchhändler Frank Doel persönlichen Kontakt dorthin hat.

Nun, am 17. Juni 1971, sollte sich ihr Traum endlich erfüllen. Sie war glücklich, aber auch ängstlich, da sie gerade nach einer Operation aus dem Krankenhaus entlassen wurde.

Doch die Angst war umsonst. Ein Fan, der sich brieflich bei ihr angekündigt hat, holte sie direkt vom Flugzeug ab. Er arbeitete auf dem Flughafen und so bekam Helene auch gar nichts von den Einreiseformalitäten mit. Er ließ auch Nora und Sheila Doel (Frank Doels Frau und Tochter, er ist leider gestorben) ausrufen und so fanden sich die drei:

„Sheila hat gleich gesagt, dass Sie es sind!“, sagte Nora mit einem deutlich irischen Akzent. „Wir haben uns alle Frauen, die aus dem Flugzeug gekommen sind, angeguckt. Und ich habe gesagt: ,Die ist zu blond‘ und ,Die ist zu gewöhnlich‘. Und Sheila hat die ganze Zeit gesagt: ,Die Kleine in dem blauen Hosenanzug ist es, sie sieht so aufgeregt aus.’“

Helene war noch nie in ihrem Leben so glücklich, wie am folgenden Tag, als sie auf einer Bank auf dem Bedford Square saß und sich die Häuser besah. Für diesen Anblick ist sie daheim ins Kino gegangen.

Langeweile kommt bei Helene nicht auf. Sie ist permanent unterwegs, lernt neue Leute kennen, bekommt am laufenden Bank Einladungen und kann London von einer Seite kennenlernen, wie es normale Touristen nicht können.

Sogar nach Oxford wird sie eingeladen. Und da muss sie einfach hin, auch wenn sie das Reisen hasst.

In diesem Buch finde ich auch ihren köstlichen Humor wieder, den ich schon in ihrem Briefbuch so toll fand. Und wie sehr sie Bücher liebt, merkt man auch hier wieder ganz deutlich. Wenn ich so sehe, was alles als Bestseller verkauft wird, wundert es mich doch ganz arg, dass 84, Charing Cross Road keiner war. Das ist anscheinend auch der Grund, dass ich eine Biografie über Helene Hanff nur in Englisch gefunden habe. Bis heute ist mir keine in unserer Sprache untergekommen.

Das wundervolle Buch hat Helene „weder reich noch berühmt gemacht. Aber es hat mir Hunderte von Briefen und Anrufen von Menschen eingetragen, von denen ich keine Ahnung hatte; es hat mir wunderbare Besprechungen gebracht; es hat mir mein Selbstbewusstsein und meine Selbstachtung wiedergegeben, die ich unterwegs, vor weiß Gott wie vielen Jahren, verloren hatte. Es hat mich nach England gebracht. Es hat mein Leben verändert“.

Wenn ihr wissen wollt, was Helene Hanff in London noch alles so erlebt hat und welche Menschen sie kennengelernt hat, dann lege ich euch das Buch nicht nur ans Herz, nein, dann sage ich etwas, was ich eigentlich sehr ungerne sage: Ihr müsst es lesen.

Ich liebe diese Bücher so, weil ich aus jeder Pore von Helene Hanff ihre Bücherliebe herauslese. Einfach wunderbar.

Absolut empfehlenswert auch die Verfilmung: Zwischen den Zeilen mit Anne Bancroft und Anthony Hopkins.



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