Ein Buch über Bücher der etwas anderen Art. Bisher ging es in Büchern meines Lieblingsgenres immer um Bücher, Schriftsteller, Buchverkäufer, Bibliothekare; Henrik B. Nilsson nun hat in seinem im btb Verlag erschienenen Erstling einen Lektoren aufs Korn genommen.
Hermann Freytag ist pensionierter Verlagslektor. Seine Frau ist auf Reisen oder hat ihn wohl eher verlassen. Seit Tagen bekommt er immer wieder eine Nachricht von seinem ehemaligen Verleger Schlink: Melden Sie sich umgehend im Verlag. Von dem Erfolgsautoren Boris Barsch soll demnächst ein neues Buch erscheinen, doch er will nur mit Freytag arbeiten. Dem ist es nämlich in all den Jahren stets gelungen, nicht nur seine Fehler auszumerzen, sondern auch die quasi unfertigen Manuskripte in Form zu bringen. Ja eigentlich war es Freytag, dem Barsch seinen Erfolg verdankte.
Freytag nimmt diesen Auftrag nur widerwillig an. Die Zusammenarbeit mit Barsch war immer anstrengend. Er benahm sich wie ein Schäferhundwelpe oder ein verwöhntes kleines Kind. Laufend brauchte er Zuspruch und Betreuung.
Noch dazu war der Beruf des Lektoren ein undankbarer: Während der Verleger in gehobenen Kreisen verkehrte und den Autoren als Freund bezeichnete, lebte der Lektor im Schatten. Auf ihn wurde man nur aufmerksam, wenn er einen Fehler machte.
Dabei hatte Freytag eigene Pläne. Schon seit seiner Kindheit träumte er davon, einen Roman zu schreiben. Schon mit zehn hatte er die großen Meister gelesen, die er in den Bücherregalen seiner Mutter fand. Er liebte Bücher, als wären sie seine Freunde. Was lag da näher, sich einen Beruf zu suchen, in dem er diese Liebe ausleben konnte. Doch weit gefehlt: Er hatte die Fähigkeit verloren, mit unschuldigen Augen zu lesen, sich dabei ganz verschlingen zu lassen. Der einzige, der ihn noch berührte, war Goethe. Und manchmal Barsch, obgleich der wahrlich kein Goethe war.
Im Café Sperl hatte er sich eine Art Büro eingerichtet. Hier schrieb er seine Ideen in ein Notizheft.
Eines Tages lernt Freytag einen gewissen Herrn Signori kennen. Dieser lädt Freytag in sein Haus ein und bittet ihn, das unfertige Manuskrit lesen zu dürfen. Als er es zurückgibt, meint er, es enthält politischen Sprengstoff und er bittet Freytag, die Herausgabe des Buches zu verzögern.
Was mag es mit diesem Sprengstoff auf sich haben? Mit Freytag befinden wir uns im Wien des Jahres 1910. Es gibt aber zwischendurch immer wieder kurze Kapitel, die ins Jahr 1903 führen. Von einer Papstwahl ist dort die Rede. Ob das miteinander zusammenhängt?
Mir hat das Buch Spaß gemacht. Ich arbeite ja als Korrekturleserin, da war es toll, in einem Buch mal als Hauptfigur auf einen Lektor zu stoßen. Auch der Gang durch das Wien 1910 gefiel mir ausnehmend gut.
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