Sonntag, 10. November 2024

Leona Rostenberg, Madeleine Stern: Zwei Freundinnen, eine Leidenschaft

Welcher Antiquariatsbuchhändler kann heute noch solche Geschichten erzählen? Diese beiden Frauen, beide aus jüdischen deutsch-amerikanischen Familien stammend, haben fast ihr ganzes Leben seltenen Büchern gewidmet. 

In dieser Doppel-Biografie erzählen Leona Rostenberg und Madeleine Stern abwechselnd über ihr Leben. Doch vorher berichten sie im Prolog, wie es dazu kam:

Leona Rostenberg und Madeleine Stern (im Weiteren schreibe ich nur Leona und Madeleine) befinden sich 1995 in ihrem für den Sommer gemieteten Landhäuschen in East Hampton, als das Telefon klingelt und sich der Doubleday-Verlag bei ihnen meldet. Die haben einen Artikel über die beiden Frauen in der Times gelesen und fragen nun an, ob sie für den Verlag ein Buch schreiben wollen. Eine gemeinsame Autobiografie etwa. Da das Buch ja erschienen ist (was für ein Verlust, wenn es nicht dazu gekommen wäre), lautete die Antwort nach reiflichen Überlegungen ja.

Im Prolog erfahre ich noch etwas über ihrer beider Herkunft, dass Madeleine schriftstellerisch tätig war und Leona "die überraschende Entdeckung von Louisa Alcotts Pseudonym und ihrer unter Pseudonym veröffentlichten Sensationsromane" machte. Madeleine spürte diese Romane auf und stellte sie zu einer Serie von Anthologien zusammen.

Wunderschön, wie sie ihr Geschäft, den Handel mit seltenen Büchern, beschreiben:

"Es ist ein Geschäft, bei dem Wissen Macht bedeutet und detektivische Fähigkeiten oft eine wichtige Rolle spielen. Das elektrisierende Gespür dafür, was an einer Erstausgabe oder einem frühen Druck besonders bemerkenswert ist, wird in unserer Branche als Fingerspitzengefühl* bezeichnet. Wenn Fingerspitzengefühl* sich mit glücklichem Zufall paart, dann öffnet sich für diejenigen, die mit dem Alten und Seltenen handeln, die Pforte zum Paradies. Leona hat diese Faszination während einer langen Lehrzeit kennen gelernt, und Madeleine hat sie von ihr gelernt. Alle beide sind wir seit einem halben Jahrhundert dieser Faszination erlegen und werden ihr auch weiterhin immer wieder aufs Neue erliegen."

Hach, liest sich das nicht wundervoll? (Anm. d. Übers.: "Ausdrücke, die im Original auf Deutsch stehen, werden durch * gekennzeichnet.") 

Und dann erzählen sie, beginnend bei ihrer Kindheit und immer mit einer Prise Humor. Leona reichte mit zwei Jahren bis zum untersten Regal des Bücherboards, und ihre Mutter prophezeite, dass sie eines Tages eine Schriftstellerin werden würde. Sie liebte Bücher von klein auf und lag ihrer Mutter permanent in den Ohren, in die "Bibothek" zu gehen. Ihre Wahl fiel auf ein "Bilderbuch unserer großen Führer". 

"Stolz marschierte ich mit meiner Wahl von dannen, noch immer den muffigen, staubigen Geruch von Büchern in der Nase, ein Geruch, der irgendwie warm, beruhigend und aufregend zugleich war und der mich für immer begleiten sollte."

Auch Madeleine denkt vielleicht schon in Kindertagen daran, eines Tages eine Schriftstellerin zu werden. Zu ihrem 6. Geburtstag schreibt sie:

"Eines der Geschenke, von der Kusine meiner Mutter, war, was ich meine Schatzkiste nannte. Das war eine braune Schatulle, die in Dutzende von Fächern unterteilt war, und in jedem von ihnen fand sich eine Auswahl an Schreibutensilien. Es gab Büroklammern, Kärtchen und Schlüsselringe, es gab Etiketten, Gummibänder und Schreibfedern, es gab alles, wovon eine Schriftstellerin träumen konnte, und vielleicht sah ich mich damals sogar schon als Schriftstellerin. Ich besaß diese Schatulle viele Jahre lang und hielt sie in Ehren."

Sie berichten, wie sie sich kennenlernen und zusammen arbeiten, sich erst gar nicht sooo sympathisch waren, sich wieder trennen, um eigene Wege zu gehen, die im Endeffekt dorthin führen, wo sie sich wieder treffen und ihr weiteres Leben miteinander verbringen. Als Leona eines Tages wirklich nicht mehr wusste, in welche Richtung sie gehen sollte, macht Madeleine ihr ein Geschenk, das ihre Zukunft bestimmt.

Dass ich die meisten alten Buchtitel und Autoren nicht kenne, tat meinem Lesespaß absolut keinen Abbruch. Dieses Buch ist schon nach dem ersten Lesen meine Lieblings-Biografie geworden. Mittlerweile habe ich es schon ein zweites Mal gelesen. 

Mittwoch, 6. November 2024

Annie Lyons: Der Buchclub - Ein Licht in dunklen Zeiten

Buchinfo

Eigentlich wollte sich Gertie Bingham langsam zur Ruhe setzen. Seit dem Tod ihres Mannes fällt es ihr nicht mehr so leicht, Binghams Bücher zu führen. Aber dann bricht der Krieg aus, und das Leben der Londoner Buchhändlerin wird noch einmal komplett durcheinandergewirbelt. Vor allem, als sie ein jüdisches Flüchtlingsmädchen aus München bei sich aufnimmt. Hedy ist sehr verschlossen und einsilbig - und der gemeinsame Start mehr als holprig. Erst die Liebe zur Literatur bringt die beiden Frauen einander etwas näher.
Als sie sich bei einem Fliegeralarm in einen Luftschutzbunker flüchten, sind Bücher eine willkommene Ablenkung für alle, die hier Zuflucht gefunden haben. Von da an nehmen Gertie und Hedy jedes Mal, wenn der Warnruf ertönt, etwas zum Vorlesen mit. Schon bald entsteht aus der kleinen Schicksalsgemeinschaft eine Art Buchclub.
Aus Fremden werden Freunde. Doch kann es Hoffnung für sie alle geben, wenn die Welt am Abgrund steht?

Ein berührendes Plädoyer für Frieden, Mitmenschlichkeit und die hoffnungsspendende Kraft, die in Büchern steckt.

Buchbeginn (ohne Prolog)

An diesem Morgen stand Gertie besonders früh vor der Buchhandlung. Sie schlief inzwischen kaum noch länger als bis fünf Uhr. Es war lästig, aber nicht zu ändern. Hemingway, ihr gutmütiger Labrador, war wie fast immer an ihrer Seite. Seit er vor acht Jahren zur Belegschaft der Buchhandlung gestoßen war, war er zu einer Art lokalen Berühmtheit avanciert. An den meisten Tagen nahm Gertie ihn mit in die Buchhandlung, denn sie hatte festgestellt, dass er die Fähigkeit besaß, selbst den ernstesten Mienen ein Lächeln zu entlocken.


Zitate

"Wozu um alles in der Welt wurde mir ein Hirn geschenkt, wenn ich nicht damit denken darf?"


"Du bist Teil meiner Existenz, Teil meiner selbst. Du warst in jeder Zeile, die ich je gelesen habe..."

Große Erwartungen, Charles Dickens"


"Ich sage, es gibt keine größere Freude, als ein gutes Buch zu lesen. Alles andere wird viel zu schnell langweilig. Wenn ich erst mein eigenes Haus habe, so brauche ich darin zu meinem Glück unbedingt eine gute Bibliothek.

Stolz und Vorurteil, Jane Austen"

Sonntag, 3. November 2024

Marian Izaguirre: Als die Träume noch uns gehörten

 Buchinfo
Lola und Matias leben eher schlecht als recht von dem kleinen Buchladen am Ende einer Sackgasse. Da taucht ein geheimnisvolles Buch auf, von dem keiner weiß, wo es herkommt. Matias ist fasziniert von dem Roman. Er stellt ihn, das erste Kapitel aufgeklappt, ins Schaufenster. Jeden Tag wird er eine weitere Seite umblättern.
Niemand interessiert sich für das Buch, bis eine geheimnisvolle Frau vor das Fenster tritt und liest. Lola bittet die Fremde hinein. Gemeinsam tauchen sie in die seltsame Geschichte ein. Eine Geschichte, nach der beide nicht mehr dieselben sind wie vorher...

Geschickt gelingt es Marian Izaguirre, Vergangenheit und Gegenwart immer wieder miteinander zu kreuzen, bis sie sich auf überraschende Weise miteinander verbinden.




Buchbeginn
Madrid, Oktober 1951
Draußen ist es kalt. Es ist zwar erst Oktober, aber man hat das Gefühl, bereits mitten im Winter zu sein. Ich habe zum ersten Mal den Mantel aus dem Schrank geholt, und nachdem ich gesehen habe, dass es bewölkt und windig ist, habe ich mich entschieden, ein Tuch um den Kopf zu binden. Es ist ein alter Seidenschal, den ich manchmal auch als Halstuch zu meinem Tweedsakko trage.


Samstag, 2. November 2024

Alberto Manguel: Die verborgene Bibliothek - Eine Elegie und zehn Abschweifungen

"Ich glaube, dass meine Bibliothek am besten erklären kann,
wer ich bin oder einmal war."


Buchinfo

Alberto Manguel, der vielleicht größte Leser unserer Zeit, erzählt in seinem neuen Buch von den Bibliotheken seines Lebens. Seit seiner Kindheit hat er sich in ihren Gängen und Geschichten verloren, weltweit seine eigenen Sammlungen geschaffen. Als er umziehen und seine treuen Weggefährten in Kisten packen muss, erinnert er sich an die Leseerlebnisse, die ihn besonders geprägt haben - eine Liebeserklärung an die Bibliothek als Ort der Erinnerung und Zuflucht und eine unterhaltsame wie lehrreiche Entdeckungsreise durch die Weltliteratur.

Mit Walter Benjamins berühmter Rede "Ich packe meine Bibliothek aus".


Buchbeginn

Meine letzte Bibliothek befand sich in Frankreich, in einem alten steinernen Pfarrhaus im Süden des Loiretals, in einem kleinen Dörfchen mit weniger als zehn Häusern. Mein Partner und ich wählten diesen Ort, weil direkt neben dem Haus eine uralte, teilweise abgetragene Scheune stand, groß genug, um meine Bibliothek zu beherbergen, welche zu dieser Zeit auf etwa 35.000 Bücher angewachsen war. Ich dachte, sobald die Bücher ihren Platz gefunden hätten, würde ich auch den meinen finden. doch es sollte anders kommen.


Zitat

Der Verlust der eigenen Bibliothek erinnert dich daran, wer du wirklich bist.

Freitag, 1. November 2024

Boris Akunin: Die Bibliothek des Zaren

Buchinfo
Nicholas Fandorin, englischer Historiker und Nachkomme des berühmten russischen Detektivs Erast Fandorin, beginnt sich für die Geschichte seiner Familie zu interessieren, als er das Erbe seines Vaters sichtet. Denn in dem Nachlass findet sich eine geheimnisvolle Handschrift, die sofort seine Neugier weckt. Sie stammt von Cornelius von Dorn, dem Urvater des Geschlechts der Fandorins, der im 17. Jahrhundert als Söldner nach Russland gekommen war. Leider befindet sich nur die eine Hälfte des jahrhundertealten Briefes in Nicholas' Besitz, so dass es ihm nicht gleich gelingt, seine ganze Bedeutung zu entschlüsseln. Umso größer ist die Überraschung, als er eine anonyme Nachricht aus Moskau erhält, in der man ihm mitteilt, der andere Teil der Handschrift befinde sich in einem Moskauer Archiv. Nicholas beschließt, sich auf den Weg in die ihm unbekannte Heimat seiner Vorfahren zu machen, um das Geheimnis seiner Erbschaft zu lüften. In Moskau angekommen, gelingt es ihm tatsächlich, den fehlenden Teil des Dokuments zu finden. Doch muss er bald feststellen, dass er nicht der Einzige ist, der sich für die Handschrift interessiert...

Buchbeginn
Er war ihm vom ersten Moment an unsympathisch.
Als der Zug den lettischen Bahnhof mit dem wenig wohlklingenden Namen Zilupe verlassen hatte, über die Eisenbahnbrücke donnerte und sich der russischen Grenze näherte, rückte Nicholas ans Abteilfenster und ließ das holprige Gebrabbel seines Weggefährten an sich abprallen.

Ein Nikolas-Fandorin-Roman
Aus dem Russischen von Birgit Veit
Goldmann, 2005
3442458021 


Dienstag, 29. Oktober 2024

James A. Michener: Dresden, Pennsylvania

Lukas Yoder, Schriftsteller von Beruf, hat seinen achten und letzten Roman beendet. Emma, seine Frau, die ihren Karrieretraum aufgegeben hat und als Lehrerin arbeitet, damit Lukas schreiben kann, ist diesmal nicht ganz so euphorisch. Hat er doch in seinem letzten Buch die Ökoschiene betreten.

Lukas ersten vier Bücher floppten, die nächsten drei wurden gefeiert. Wie nehmen seine Fans nun den letzten Band auf?

Emmas Ahnen lebten 1640 in der Pfalz.

"Sie wurden von dem religiösen Feuer erfaßt, das ein Jahrhundert zuvor Martin Luther und Huldreich Zwingli entfacht hatten, wurden Wiedertäufer und verkündeten, es sei nicht nur dumm, sondern unbiblisch, Kinder gleich nach der Geburt zu taufen: 'Erst im Alter von siebzehn oder achtzehn ist ein Menschenkind alt genug, um den Sinn des Christentums zu begreifen. Dann erst kann es sich frei entscheiden und zur Taufe zugelassen werden.' Zum Beweis für ihre These führten sie Johannes den Täufer, Christus selbst und den Apostel Paulus an."

Für ihre Lebensweise wurden sie verfolgt und sogar hingerichtet. Auf Einladung des englischen Quäkers William Penn siedelten sie sich 1697 in Pennsylvanien an, wo sie sich in zwei religiöse Sekten spalteten: die Amish und die Mennoniten.

Emma kam aus einer Amishfamilie, Lukas aus éiner von Mennoniten.

Herman Zollicoffer "war ein stolzer alter Dutchman, dem es wichtig war, daß Sprache und Sitten seiner Leute der Welt korrekt vermittelt wurden".

Und so hat es sich Lukas zur Regel gemacht, das Geschriebene von Herman lesen zu lassen.

"Auf der Fahrt zu seiner Farm dachte ich über die heikle Situation nach, in der sich jeder, selbst der erfolgreichste Schriftsteller befindet, der ein Manuskript abgeschlossen zu haben glaubt. Es muß vor dem Urteil einer externen Autorität bestehen, in meinem Fall also vor Zollicoffer. Anschließend wird es vom Lektor auseinandergenommen. Falls es ausgesprochen kontroverse Themen behandelt, werden Juristen es nach eventuell verleumderischen Aussagen durchkämmen. Und zum Schluß muß irgendein Könner der Sprache jeden Satz auf Grammatik und Orthographie überprüfen. Und selbst nach solch aufmerksamer Betreuung kann ein Buch durchfallen, wenn es endlich an die Öffentlichkeit gelangt."

Dresden, Pennsylvania ist für mich echt ein Knaller. Heute Abend schaffe ich die letzten Seiten.

Wer sich ein bisschen für die Entstehung eines Buches interessiert, dem kann ich es wärmstens empfehlen.

Die Geschichte wird aus viererlei Sicht erzählt: vom Autor, der Lektorin, dem Kritiker und der Leserin. Alle vier haben ihr eigenes Kapitel.

Sie kennen sich untereinander alle. Besonders interessant ist, wie unterschiedlich sie ein und dieselbe Sache sehen.

Diese Geschichte scheint ein wenig aus der Rolle zu fallen. Michener hat bisher wohl hauptsächlich historische Romane geschrieben, in denen er sich mit einem bestimmten Land oder US-Bundesstaat von den Anfängen bis zur Gegenwart beschäftigt.

Diese Geschichte spielt zwar in Dresden, Pennsylvanien, die wahrscheinlich deutscheste Region Amerikas, und wir lernen einige urige Einwohner dieser Region kennen, aber hauptsächlich handelt das Buch von Büchern, der Literatur, dem Buchwesen. Der Originaltitel "The Novel" passt daher viel besser zum Buch, als der deutsche Titel.

Das Kapitel über die Lektorin Yvonne Marmelle hat mir sehr gut gefallen. Wir erfahren dort, dass sie schon als kleines Kind Bibliothekarin werden wollt. Das kam durch ihren Onkel Judah, der Bücher liebte, der sie schon frühzeitig an Jugendbücher heran führte, obwohl sie vom Alter her in der Bibliothek eigentlich nur Kinderbücher ausleihen dürfte.

Für Yvonne war es

"eine so sensationelle Erfahrung, mit dem Leben anderer Menschen in Berührung zu kommen, daß ich bei der Rückgabe des Buchs die Bibliothekarin fragte: ,Ist das alles tatsächlich passiert?' Und sie hat mir erklärt: ,Es ist passiert, aber nur im Kopf der Schriftstellerin. Und natürlich auch in deinem Kopf. Das macht einen Roman aus. Er ist ein Austausch von Träumen.'"

Schon in jungen Jahren konnte sie einen guten Roman unterscheiden von einem, der des Lesens nicht wert war. Yvonne wurde zwar nicht Bibliothekarin, dafür aber eine erfolgreiche Lektorin, die allerdings privat nicht viel Glück hatte.

Auch das Kapitel des Kritikers Karl Streibert ist sehr interessant und spannend. Und in dem der Leserin Jane Garland fügt sich dann alles zusammen. Hier treffen wir sie alle wieder und werden sehen, was aus ihnen wird. Wie sich nach Glück und Trauer ihr Leben weiterentwickeln wird.

Zum Schluss möchte ich noch ein Zitat bringen. Es sind Sätze von Leserbriefschreibern an Lukas Yoder, die es fast immer auf die gleiche Weise ausgedrückt haben (mir geht es auch oftmals so, wenn ich ein schönes Buch beende):

"Wenn ich mich den letzten Seiten eines Romans von Ihnen nähere, dann empfinde ich ein Gefühl ehrlichen Bedauerns, weil ich merke, daß ich eine Beziehung mit Figuren aufgeben muß, die ich liebgewonnen habe. Und eine Ecke der Welt wieder verlassen muß, wo ich lohnende Wochen und Monate verbracht habe. Ich lese nämlich langsam und gründliche. Wenn die Seiten weniger werden, kommt es mir vor, als ob mir etwas weggenommen würde, etwas Kostbares, das unersetzbar ist.

Vielleicht lachen Sie über das, was ich jetzt sagen möchte, aber wenn ich sehe, wie wenig Seiten mir noch bleiben, rationiere ich sie. Dann erlaube ich mir täglich nur einige wenige Seiten, und wenn die letzte Seite kommt und ich das Buch zuschlage, dann starre ich minutenlang auf die Karte auf dem Vorsatzpapier und bin mir bewußt, daß mich etwas Wertvolles angerührt hat."


Donnerstag, 24. Oktober 2024

Stephanie Butland: Hoffnung auf Papier

Am liebsten würde ich dieses Buch gleich noch einmal lesen. Was für eine wunderbare Geschichte. In der Regel lese ich 50 Seiten am Tag. Dieses Buch mit seinen knapp 400 Seiten hat mich nur drei Tage beschäftigt. Beschäftigt im wahrsten Sinne des Wortes. Denn immer, wenn ich es aus der Hand legen musste, ging es mir nicht aus dem Kopf. Ob ich nun beim Geschirr abtrocknen war, beim Bügeln oder saubermachen. Immer habe ich drüber nachgedacht. Und die letzten 50 Seiten habe ich im Schneckentempo gelesen, weil ich die Geschichte einfach nicht verlassen wollte.

Die Antiquariatsbuchhandlung "Lost For Words" hat während der Corona-Pandemie einen Brief von Rosemary, einer älteren verheirateten Frau bekommen. Sie bittet darum, dass sie ihnen jede Woche ein Buch zuschickt. 

Daraus erwächst in der Inhaberin Loveday die Idee einer Bücherapotheke. Eine Anzeige wird in die Zeitung gesetzt und der Laden kommt in Schwung. Die Leute schreiben per Post oder Mail. Mal mehr und mal weniger Privates. Daraufhin wird ihnen ein Bücherpaket fertig gemacht. Das kann per Post verschickt, an der Tür abgeholt werden oder innerhalb der Stadt bringt die Inhaberin es per Fahrrad nach Hause. Alles mit gebührendem Abstand.

Die Leute, die sich von der Buchhandlung ein "Rezept" zusammenstellen lassen, werden auch vorgestellt. Wie es ihnen während Corona geht, Vergangenheit, Gegenwart. Das, was Corona so mit sich gebracht hat, wird angesprochen: Einsamkeit, Gewalt in der Familie, Liebe/Trennung, Rassismus, die Situation der Pflegekräfte. Aber auf so unterhaltsame  und herzenswarme Weise. Gar nicht schwülstig oder übertrieben brutal. 

Und obwohl so viel passiert, Gutes wie Schlechtes und Trauriges, ist es doch ein leises Buch.

Die "Rezept"-Bücher werden in der Geschichte mit ein, zwei Sätzen vorgestellt. Im Anhang gibt es dann noch einmal eine Auflistung aller im Buch erwähnten Bücher. Da erhält dann auch jedes Rezept einen Namen.

Wer gerne der Reihe nach liest, dem empfehle ich "Ich treffe dich zwischen den Zeilen". Das ist das Vorgängerbuch.